40 Jahre im Schuldienst

Interview mit Schulleiterin Inge Levin zum Dienstjubiläum

Können Sie sich noch an Ihre erste Unterrichtsstunde erinnern?

Sehr genau, meine erste Stunde hatte ich als Referendarin. Ich habe in einer 9. Klasse Deutsch unterrichtet. Das Thema war die Novelle Das Leben eines Taugenichts. Ich hatte noch wenig Erfahrung, wie man einen archaischen Text und seine Bedeutung den Schülern und Schülerinnen deutlich macht. Dann habe ich einen Tonträger mitgebracht und das Lied vorgespielt. Nur leider wusste ich nicht, dass die Schüler/innen das Werk gar nicht gelesen hatten zu dem Zeitpunkt. Den Rest muss ich wohl nicht ausführen. Aber viele Stunden später wussten die Schüler/innen über die Bedeutung einer lyrischen Einlage.

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Veränderungen, die Sie mit durchlaufen haben in 40 Jahren Schule?

Es hat sich wenig verändert. Schule ist nicht tot zu kriegen. Sie hat einen Lehr-und Bildungsauftrag und einen „Kümmerauftrag“ und das ist auch so geblieben. Was sich stark verändert hat, ist, dass der einzelne Schüler und die einzelne Schülerin und sein/ihr Umfeld, das die Person bedingt, stärker gesehen wird. Schule hat viele gesellschaftliche Aufgaben, die gar nicht in unserem Resort sind. Heutzutage sind die Lehrer/innen und Schulen viel stärker mit sozialen Hilfeeinrichtungen und Schulpsychologen vernetzt.

Was würde Inge Levin machen, wenn Sie einen anderen Job machen müsste?

Dann wäre ich wahnsinnig gerne Journalistin. Ich wollte immer Lehrerin werden, aber um die Zeit des Abiturs habe ich davon geträumt, dass ich vielleicht Investigativjournalistin werde, zum Beispiel beim Spiegel. Zu der Zeit konnte man Journalismus nur in München studieren und meine Eltern wollten, dass ich erstmal mit Germanistik in der Nähe anfange. Dann hätte ich ja schon etwas in die Richtung studiert. Dann habe ich auch Romanistik studiert und dann hat mit das zusammen viel Spaß bereitet. Dazu habe ich auch Kurse zur pädagogischen Psychologie belegt, aber sonst hatte ich mit dem späteren Lehrerberuf während des Studiums wenig zu tun.

Auf welche Entwicklungen sind Sie besonders stolz?

Da gibt es keine einzelne Entwicklung. Ich bin immer stolz, mit allen Kollegen und Kolleginnen, wenn wir unsere Abiturienten verabschieden. Im Vorfeld wird deutlich, wie sich die Persönlichkeiten der Schüler/innen entwickelt haben und das ist ein Motor für unseren Beruf. Außerdem bin ich stolz, dass unsere Schule bei den Aplerbecker und auch anderen Dortmunder Eltern wertgeschätzt wird. Dass wir steigende Anmeldezahlen haben, darauf bin ich stolz, das haben wir gemeinsam erreicht.

Was würden Sie im Nachhinein anders machen?

Ich bin kein unbedingt geduldiger Mensch, ich würde manche Dinge geduldiger angehen mit dem Wissen: Das kommt schon, dann hätte ich weniger schlaflose Nächste. Dann würde ich mir keine Gedanken machen, dass sich weniger Schüler/innen anmelden oder manche Maßnahmen nicht transparent sind. Ich bin etwas abgeklärter geworden, aber vielleicht hat das auch etwas mit Altersweisheit zu tun.

Was war Ihr persönliches Highlight in den 40 Jahren?

Privat? Es ist ein Highlight, wenn man auf den Menschen trifft, den man liebt. Mutter zu sein ist außerdem die tollste Rolle und hat Priorität. Ich hatte großes Glück, sehr lange meine Eltern und Großmutter zu haben. Eine Großfamilie in der Nähe zu wissen, gute Freunde zu haben, familiäre Geborgenheit, mit Freundschaften zu leben, das ist für mich wichtig. Eine Schulfreundin von früher habe ich immer noch. Sie könnte ich jederzeit anrufen. Das sind meine persönlichen Highlights. Was auch geschieht, es gibt Menschen, die sind da.

Beruflich ist es natürlich ein Highlight in einem Beruf arbeiten zu können, den man liebt und den man will, mit dem man sich identifiziert. Man verbringt fast mehr Zeit im Beruf als mit der Familie und im privaten Bereich und deswegen ist das Gefühl der Geborgenheit im Beruf so wichtig.

Was haben Sie sich für Ziele für Ihre verbleibende Zeit am GADSA gesetzt?

Die QA (Anmerkung: Qualitätsanalyse) hat sich angekündigt. Mal gucken, ob ich sie in der Hauptphase mitmache. Mit vorbereiten werde ich sie in jedem Fall und zwar mit dem selben Ehrgeiz wie die letzte QA 2011. Jeder soll sehen, wie gut unser Kollegium arbeitet und wie viele tolle Projekte wir haben. Es soll zum Beispiel deutlicher werden, wie individuell wir fördern und wie wir als Europaschule agieren.

Politische Statements sind in der Schule nicht erlaubt, aber unser Bekenntnis als Europaschule ist eins und das ist erlaubt. Die Schüler/innen sollen das noch bewusster leben.

Und wie wird Ihr Leben ohne das GADSA aussehen?

Ohne Aufgaben kann ich mir das nicht vorstellen. Gerne möchte ich etwas Soziales tun, das nicht so viel mit Schule zu tun hat. Wenn man es selber so gut hatte, muss man auch etwas davon abgeben. Ob das die Arbeit mit Flüchtlingen, im Hospiz oder bei der Bahnhofsmission ist, da bin ich nicht festgelegt. Persönlich möchte ich eine Menge Reisen machen und mich in Richtung Kunstgeschichte weiterbilden. Mal sehen, ob es dann an die Fernuni geht. Theodor Fontane ist mein Lieblingsdichter und er spielt nur bedingt eine Rolle in der Schule. Jetzt habe ich Zeit, mich mit seinen Werken auseinanderzusetzen.

Sicherlich werde ich manchmal auch gerne hier herkommen, weil es mich interessiert, wie diese Schule weiterlebt, denn das tut sie sicher.

Würden Sie noch einmal Lehrerin und Schulleiterin werden?

Ja. Lehrerin würde ich wieder werden, aber auch Schulleiterin. Wenn man Glück mit seinem Team und dem Kollegium hat, macht es Spaß die Schulstrukturen zu beeinflussen.

Was wir schon immer wissen wollten. Entscheiden Sie sich!

Offene oder geschlossene Bürotür?

Offene. Bei vertrauensvollen Gesprächen muss die Tür natürlich zu sein, sonst bleibt sie offen.

Quiche oder Currywurst?

Quiche

Erste oder letzte Reihe?

Letzte. An der Stelle hat man einen besseren Überblick.

Schüler- oder Elterngespräch?

Schülergespräch, weil es das erste Klientel ist. Natürlich sprechen wir mit Eltern, aber Schüler haben Priorität.

Südtribüne oder VIP-Lounge?

Wenn es dauerhaft wäre: Südtribüne. Quiche und Südtribüne passen vielleicht auf den ersten Blick nicht zusammen, aber man kann Menschen nicht klischeehaft verorten.

Unterrichtsfrei für Klimastreiks oder Hitzefrei?

Klimastreiks. Hitzefrei ist manchmal unumgänglich, weil sich unser Gebäude im Sommer teils stark aufheizt. Das eine hat fatalerweise mit dem anderen zu tun.